URODYNAMIK

URUDYNAMIK

Die urodynamische Untersuchung wegen Harninkontinenz gibt uns zahlreiche wichtige Informationen, die untrennbar von Anamnese, urologischem Status, Zystoskopie, urogynäkologischer Untersuchung und Urethrozystographie zu sehen sind. Einzelne Parameter und Untersuchungsbefunde haben meist keine Bedeutung, nur die Zusammenschau aller Befunde ergibt mosaikartig ein klares Bild eines spezifischen Problems einer Patientin, die an Harninkontinenz leidet oder eines Mannes mit subvesikaler Obstruktion.

Urudynamic

Anamnese

Am Beginn jeder Untersuchung wegen Harninkontinenz steht die Anamnese. Die Vorgeschichte ergibt Aufschluß über die Art der Inkontinenz. Ist diese intermittierend oder ist der Harnverlust kontinuierlich? Tritt eine Drangsymptomatik auf und ist diese von einer Dranginkontinenz gefolgt? Besteht eine Nykturie und klagen die Patienten über eine dysurische Miktion? Sind anamnestisch Harnwegsinfektionen verzeichnet worden? Von Bedeutung ist, ob der Miktionsbeginn verzögert ist, ob der Harnstrahl abgeschwächt oder unterbrochen ist und ob es zu einer vollständigen oder unvollständigen Entleerung kommt.

Die physikalische Untersuchung beinhaltet auch einen neurologischen Status dieser Region. Es wird die Sensibilität von S3-S5 beurteilt. Der Bulbocavernosusreflex gibt eine Information über den sacralen Reflexbogen. Es wird außerdem der mentale Status beurteilt, sowie die Mobilität des Patienten. Die Medikation ist wichtig, denn sie hat einen wesendlichen Einfluß auf die Harninkontinenz.

Harnuntersuchung

Die Harnanalyse wird heute meist mit einem Teststreifen durchgeführt, der Testfelder für die Leukozytenzahl, die Erythrozytenzahl bzw. den Hämoglobingehalt aufweist, neben PH-Bestimmung, spezifischem Gewicht, Proteingehalt und Nitritnachweis. Eine urodynamische Untersuchung sollte nur bei infektfreien Patienten durchgeführt werden. Ausnahmen sind paraplegische Patienten.

Freier Uroflow

Der freie Uroflow ist eine nichtinvasive urodynamische Untersuchung die eine gobe Information über den Miktionsablauf gibt. Zur Interpretation ist u.a. wichtig ob der Kurvenverlauf ein obstruktives Kurvenmuster hat, ob die Kurven intermittierend aufgezeichnet werden, ob die Harnflußrate sehr niedrig ist und eine terminale Miktionsverlängerung besteht. Bei streßinkontinenten Frauen findet sich häufig ein „Superflow“. Die Flowkurve beginnt mit einem initial rasanten Anstieg. Durch das niedrige Kontinenzniveau am externen Sphinkter infolge offenem Blasenhals, fällt der Harn gleichermaßen bei Relaxierung des Beckenbodens aus der Harnröhre.

Eine Knickbildung in der Harnröhre infolge Absenkung der vorderen Vaginalwand kann zur subvesikalen Obstruktion führen und ein dafür charakteristisches Kurvenbild liefern. Ähnliche Miktionsmuster können durch eine Detrusorhyperkontraktilität bedingt sein. Frauen mit Detrusorhyperkontraktilität haben oft stark verkürzte Flowzeiten mit einem hohen Maximalflow (Qmax) bei kleinen Harnmengen. Restharn kann durch eine Detrusorhyperkontraktilität oder durch eine Cystocele bei der Frau bedingt sein.

Eine freie Flowkurve ist außerdem zur Beurteilung der Druckflußkurven der Frau wichtig, da die Invasivität, durch die Meßkatheter, häufig in den miktiometrischen Kurven ein obstruktives Miktionsmuster im Kurvenbild vortäuscht. Der Vergleich mit der freien Flowkurve erleichtert die richtige Interpretation.

Zystomerie

Die Zystometrie gliedert sich in zwei wesentliche Untersuchungsphasen. Die Füllungszystometrie und die Miktionszystometrie oder Druckflußstudie.

Untersuchung:
Bei der Frau sind Doppelmikrotipkatheter mit integriertem Füllkanal bequemer in der Anwendung, besonders dann wenn ein Urethradruckprofil (UPP) gewünscht wird. Allerdings sind Mikrotipkatheter anfälliger für Artefakte. Nur bei der Verwendung einer Wasserlinie ist der Referenzpunkt, entspricht dem Oberrand der Symphyse, für die Druckmessung konstant einzuhalten. Die Durchführung eines Urethradruckprofils mit einer Wasserlinie ist etwas schwieriger und bedarf einiger Erfahrung des Untersuchers. Die Füllungsgeschwindigkeit soll bei nicht neurologisch bedingten Inkontinenzproblemen zwischen 50ml und 80ml pro Minute liegen. Bei neurologischer Problematik liegt die Füllungsgeschwindigkeit bei 25ml und, falls notwendig, auch darunter.

Füllungsphase

Bei der Füllung wird, am besten in sitzender Position, während zahlreicher Hustenstöße, sie sind notwendig zur Kontrolle der Meßqualität und zum Nachweis einer Streßinkontinenz, folgendes beurteilt:

1. Das Blasengefühl: z.B. erster Harndrang, starker Harndrang, etc.

2. Die Compliance (C=V/P). Idealerweise paßt sich die Blasenwand dem Füllungsvolumen bis zum Erreichen der zystometrischen Blasenkapazität ohne wesentlichen Druckanstieg an. Man spricht am besten von reduzierter Compliance, von normaler Compliance oder von erhöhter Compliance der Blasenwand.

3. Die Kontraktilität. Durch die Zystometrie erfolgt der Ausschluß oder der Nachweis einer Detrusorinstabilität, oder Detrusorhyperreflexie, letzteres als Synonym für eine neurogen bedingte motorische Drangsymptomatik. Die Definition der Internationalen Continence Society (ICS) fordert, zum Nachweis einer Detrusorinstabilität oder Hyperreflexie einen Druckanstieg von mehr als 15cm H2O. Es ist jedoch möglich, daß auch kleinere Druckanstiege bei genauer Messung als Detrusorinstabilität nachgewiesen werden.

4. Die Blasenkapazität. Man spricht hier immer von der zystometrischen Blasenkapazität. Sie ist von der tatsächlichen ermittelten Blasenkapazität zu unterscheiden.

Miktionsphase

Die Beurteilung der Relation von Detrusordruck und Flow ist bei Männern von eminenter Bedeutung, um die Fälle mit eindeutiger subvesikaler Obstruktion von denen die nicht obstruktiv sind zu unterscheiden, sowie zur Beurteilung der Detrusorkontraktilität vor Operationen. Die Detrusorkontraktilität ist bei Frauen jedoch relativ, da Frauen ohne Detrusordruck einfach durch Relaxation des Beckenbodens Wasser lassen können, was wiederum die Beurteilung der Kontraktilität des Detrusors erschwert. Man kann sich jedoch mit dem sogenannten Stopptest helfen. Frauen sollten normalerweise ihren Harnstrahl unterbrechen können. bei willkürlicher Unterbrechung des Strahls wird die Detrusorkontraktion isometrisch bis zu einem Kontraktionsmaximum (pdet-iso) gemessen. Dieser Druck repräsentiert die Kontraktionskraft des Detrusors. Er ist vor Operationen von großer Bedeutung, besonders dann wenn die Operation den urethralen Widerstand erhöht. Besteht eine Hypokontraktilität des Detrusors bereits präoperativ, wie das besonders bei älteren Frauen häufig ist, besteht die Gefahr einer postoperativen Harnretention, die möglicherweise sogar eine intermittierenden Selbstkatheterismus notwendig macht. Bei solchen Untersuchungsergebnissen muß sich die Aufklärung darauf ausrichten. Durch Verschluß des Blasenhalses mit einem Ballonkatheter kann auch die Kontraktilität geprüft werden. Diese Vorgangsweise kann aber auch dann notwendig werden, wenn bei einer massiven Inkontinenz die Blase nicht zu füllen ist und die Compliance und oder zystometrische Blasenkapazität bestimmt werden soll.

Video-Urodynamik

Die Kombination der Zystometrie mit einer Zystographie unter Durchleuchtung ist beim Nachweis von dyssynergem Miktionsverhalten bei neurologischen Patienten, oder funktioneller Obstruktion, oder bei psychogen bedingten Miktionsstörungen wichtig.

Urethradruckprofil (UPP)

Mit einem 2-fach Microtipkatheter durchgeführte simultan intravesikale, intraurethrale und intraabdominelle Druckmessung. Bestimmt wird das statisch urethrale Druckprofil und das Stressprofil.

Statisches Urethradruckprofil (UPP)

Der maximale urethrale Verschlußdruck (MUCP) und die funktionelle Urethralänge (FUL) können nicht als verläßliche Parameter herangezogen werden. Obwohl sie bei streßinkontinenten Frauen erniedrigt sind, gibt es beträchtliche Überlappungen mit gesunden Probantinnen. Frauen mit einer Detrusorhyperaktivität und Frauen mit einem spastischen Beckenboden tendieren zu einem erhöhten maximalen Urethradruck (MUP). Es ist daher der Informationsgehalt isolierter statischer Urethradruckprofile relativ gering. Findet sich eine hypotone Urethra, kann dies für therapeutische Überlegungen, z.B. für die Art der Suspensionsoperation von Bedeutung sein.

Stress-Urethradruckprofil

Der Verschlußdruck (pura – pves = Pclos) wird elektronisch ermittelt. Nach EINHORNIG ist Kontinenz dann erreicht, wenn der Druck in der Harnröhre immer größer als der intravesikale Druck ist. Ausnahme: bei Miktion. Zum Harnverlust kommt es dann, wenn der Verschlußdruck negativ wird. Die Druckübertragung oder Drucktransmission an der proximaler Urethra ist bei reiner Streßinkontinenz erniedrigt, nach erfolgreicher Therapie scheint sie verbessert. Aber auch kontinente gesunde Frauen können eine negative Drucktransmission aufweisen. Negative Druckgradienten alleine sind kein Nachweis einer Streßinkontinenz aber sie mögen die Diagnose einer Streßinkontinenz unterstützen. Die Reaktivität des Beckenbodens auf Hustenstöße wird von manchen Autoren zur Indikationshilfe beim Beckenbodentraining herangezogen.

Elektromyogramm

Für die Routineuntersuchung wird das Beckenboden-EMG mit Klebeelektroden abgeleitet, bei speziellen Fragestellungen sind Nadelelektroden gefordert. Während der Füllungsphase wird das EMG-Signal stärker, bei Einleitung der Miktion kommt es zu einer Relaxierung des Beckenbodens und das EMG-Signal wird still. Streßinkontinente Frauen sind hier keine Ausnahme, bei Ihnen ist jedoch die routinemäßige EMG-Anwendung nicht notwendig. Die Indikation für ein Beckenboden-EMG ist bei Verdacht auf ein dyssynerges Miktionsverhalten gegeben.

Cysto-Urethroskopie

Zum Ausschluß pathologischer Veränderungen in der Harnröhre und Harnblase wird eine Cystourethroskopie durchgeführt. Eine sorgfältige zielgerichtete Cysto-Urethroskopie gibt zahlreiche Hinweise bei der Untersuchung wegen einer Streßinkontinenz der Frau. Bei einer Detrusorinstabilität findet sich häufig eine reduzierte Kapazität der Harnblase. Trabekel und Pseudodivertikel sind Ausdruck gesteigerter Detrusoraktivität bei instabilem Detrusor. Das Öffnen des Blasenhalses zeitgleich mit dem Auftreten einer Drangsymptomatik deutet auf eine Detrusorinstabilität hin. Eine Streßinkontinenz infolge Blasenhalsinkompetenz ist durch einen stark beweglichen Blasenhals und proximale Harnröhre beim Husten und Pressen gekennzeichnet. Häufig bemerkt man gleichzeitig eine Senkung des Blasenbodens und/oder der Urethra als Ausdruck einer Cystocele und/oder Urethrocele. Hinweise auf eine interstitielle Cystitis oder andere Schädigung der Blasenwand ergeben sich durch Rarefizierung der urothelialen Gefäße, sowie ein Brechen und eine Glomerulisierung der Gefäße und eine reduzierte Blasenkapazität. Hier sollte eine cytologische Untersuchung, sowie eine Untersuchung in Spinalanästhesie durchgeführt werden, bei der die Dehnung der Blasenwand unter bestimmten Druckbedingungen bestimmt und eine Biopsie der Blasenwand durchgeführt wird. Weiters kann eine sogenannte „Low Resistance Inkontinenz“ beurteilt werden, wenn das Urethroskop ohne Widerstand im Sphinkterbereich in die Blase eindringen kann und zudem bei noch stärkerer Füllung der Blase Harn neben dem Cystoskopschaft austritt. Eine starke Anhebung des Blasenbodens nach einer stattgefundenen Suspensionsoperation weist auf eine operative Überkorrektur hin, besonders dann wenn das Urethroskop nur gegen einen starken Widerstand vorschiebbar ist.

Harnröhrenkalibrierung

Die Kalibrierung der Harnröhre meistens mit „bougie a boule“ wird eine mechanisch oder funktionelle Harnröhrenenge ausgeschlossen.

Urogynäkologische Untersuchung

Es erfolgt die Beurteilung der Haut des äußeren und inneren Genitales (kariopygnotischer Index). Weiters werden die verschiedenen Senkungszustände beurteilt, wie Urethrocele, Cystocele, Enterocele, Rectocele und Uterusprolaps. Es erfolgt eine Objektivierung der Harninkontinenz durch einen so genannten Streßtest, zuerst im Liegen und falls in dieser Position kein Harn verloren wird im Stehen. Die Menge des Harnverlustes bei diesen so genannten Streßmanövern (Husten und Pressen) steht in Relation zur Schwere der Harninkontinenz.

Cystourethrogramm

Eine cystourethrographische Untersuchung kann auf verschiedene Art und Weise durchgeführt werden. Es hat sich vor allem das Doppelkontrastcystogramm und bei uns in Wien, das dynamische Cystourethrogramm bewährt. Es wird die gesamte Untersuchung im Stehen durchgeführt, nachdem ein Einmalkatheter fixiert oder ein strahlendichter Dauerkatheter in die Harnblase eingeführt wurde. Eine Flasche mit Kontrastmittel wird in einem Abstand von 40cm über das Symphysenniveau angebracht. Über den Katheter wird Kontrastmittel in die Blase infundiert. Dann erfolgt die Dokumentation des ersten Harndrangs, von starkem Harndrang, des Füllvolumens und von Drangepisoden. Bilder werden jeweils in entspannter Haltung im Pressen mit liegendem Katheter im a/p Strahlengang, sowie exakt seitlich durchgeführt. Nunmehr, nach Katheterentfernung wird im schrägen Strahlengang in Ruhe, beim Husten, beim Pressen, bei der Miktion und schließlich postmiktionell ein Bild angefertigt. Es erfolgt die Beurteilung der anatomischen Verhältnisse zwischen entspannter Patientin und bei Streßmanövern. Objektivierbarer Harnverlust wird nachgewiesen und dokumentiert, denn die meisten streßinkontinenten Frauen sind im Stehen selten in der Lage, Harnverlust zu unterdrücken. Es wird die Hypermobilität des Blasenhalses beschrieben, ein Deszensus der vorderen Vaginalwand (Cystocele: rotatorisch oder vertikal), eine Striktur, Fistel, urethrales Divertikel oder Restharn.

Harninkontinenz beim Mann

Vor einer urodynamischen Untersuchung erfolgt immer die Anamnese, der urologische Status mit Harnbefund, dann die Cystoskopie und falls notwendig ein Cystourethrogramm. Die urodynamische Untersuchung in der Füllungsphase gilt der Beurteilung der Stabilität des Detrusors und der Compliance der Blasenwand. In der Miktionsphase wird eine Obstruktion ausgeschlossen oder der Grad der Obstruktion klassifiziert und die Kontraktionskraft des Detrusors bewertet.

Zusammenfassung

Bekannterweise ist die Symptomatik der Harninkontinenz alleine irreführend. In den siebziger Jahren konnte auch der erfahrene Urodynamiker nur in 50% eine richtige Diagnose stellen, wenn sie alleine auf Symptomatik und körperliche Untersuchung beruhte. Heute stellen die urodynamischen Studien einen wesentlichen Teil der Untersuchung inkontinenter Frauen und Männer dar und sie sind notwendig zur Erstellung der richtigen Diagnose. Falls dieser Untersuchungsweg nicht eingehalten wird, wird die Behandlung nach empirischen Gesichtspunkten angelegt und dementsprechend wird ihr Erfolg enttäuschend sein.

Urodynamische Studien haben gezeigt, daß ein Drittel der Männer, die nur auf Grund ihrer Symptomatik prostatektomiert werden, gar kein funktionell wirksames Abflußhindernis durch ihre Prostata aufwiesen. Diese Zahlen steigen im höheren Alter weiter an, da eine kleinere Blasenkapazität und eine Hypersensibilität des Detrusors zur Drangsymptomatik führen können und damit zu erhöhter Miktionsfrequenz, Nykturie und sogar Dranginkontinenz. Nur die urodynamische Untersuchung (Druck-Flußstudie) kann diesen Patienten eine unnötige Operation ersparen und die Indikation für zielführende medikamentöse oder edukative Behandlungformen stellen.

KONTAKT

Univ. Prof. Dr. Christian-P. Schmidbauer
Beeideter u. gerichtlich zertifizierter Sachverständiger

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